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Amsterdamer Publikationen
zur Sprache und Literatur
Herausgegeben von Norbert Otto Eke und Bodo Plachta
 

Ferber, Thorbjörn: Nationaler Antisemitismus im literarischen Realismus
(Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur, Band 172)
ISBN 978-3-89693-616-5 (05/2014)
467 Seiten, 22 x 15 cm, Kt., EUR 64,00

 
Nationalismus und Antisemitismus versprühen seit der Aufklärung ihr Gift. Zwei Ideologien, die Feindbilder brauchen, damit die Welt erklärbar wird.
Im nationalen Antisemitismus verbinden sie sich zu einer Ideologie, die den Juden innerhalb der gedachten Nationsgrenzen keinen Platz zugesteht. Aus dem Glauben an die jüdische Fremdheit, ihrem angeblichen Weltherrschaftsanspruch, resultiert eine Opferhaltung der deutschen Mehrheit, die Verbannungs- und Vernichtungswünsche (gegenüber den als Täter verstandenen Juden) produziert.
Was im Nationalsozialismus kulminierte, nimmt so seinen Anfang bereits rund 150 Jahre früher: wandelbar in seiner Gestalt, aber endgültig in der Zielrichtung.
Die Literatur des Realismus erfüllt (Mitte des 19. Jahrhunderts) bei der Tradierung und Perpetuierung dieser beiden Ideologien eine wichtige Funktion. Sie fungiert als Bindeglied zwischen Gesellschaft und Privatem, nimmt bestehende Vorurteile auf und fügt sie in einen für die Gegenwart gültigen kulturellen Diskurs.
Das Buch erhellt und erklärt die Zusammenhänge von Ideologie mit Literatur, um die Funktionsweise von nationalem Antisemitismus zwischen Aufklärung und literarischem Realismus zu veranschaulichen. Ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des komplexen Zusammenspiels von Vergangenheit und Gegenwart. Ein Schritt, um aufzuklären, wo sogar die Aufklärung teilweise geschwiegen hat: Kritik zu üben an einer Ideologie, der seit Anbeginn genozidale Tendenzen eingeschrieben waren.

Inhalt

1. Nationaler Antisemitismus im literarischen Realismus – eine Annäherung
1.1 Forschungsbereich ‚literarischer Antisemitismus‘
1.2 Methodisches Vorgehen
1.3 Einleitende Annäherung an den Zusammenhang von Nationalismus und Antisemitismus
2. Nationalismus
2.1 Überblick über die Forschungslage
2.2 Nationalistische Erhebungen bis zur Französischen Revolution
2.3 Nationalismus im modernen Gewand
2.4 Auf der Suche nach einer nationalen Identität
2.5 Wie entsteht das Volk als handelndes Subjekt der kollektiven Identität?
3. Die Politisierung des Konstrukts Nation – frühe Propagandisten
3.1 Die Legitimation der nationalen Identität
3.2 Gemeinschaft durch Feindschaft: Deutschland und sein französischer Erzfeind
3.3 Die Exklusivität der Abgrenzung der ‚deutschen Nation‘
3.3.1 Herders Einfluss auf den Volksbegriff
3.3.2 Sprachliche und ethnisch-ontologische Abgrenzung
3.3.3 Das Christentum als nationale Rechtfertigung
3.4 Fazit und Überleitung
4. Antisemitismus und Rassismus
4.1 Vom Antijudaismus zum Antisemitismus
4.2 Antisemitismus
4.3 Der Jude als Personifikation der Moderne
4.4 Die Täter-Opfer-Umkehr als Merkmal des nationalen Antisemitismus
4.5 Die national-antisemitische Lösungsperspektive
4.6 Zur Entstehung des Rassismus
4.7 Merkmale des Rassismus
4.8 Nationalismus und Rassismus
4.9 Die Verbindung von nationalem Antisemitismus und Rassismus
4.10 Fazit
5. Die Juden im Zentrum der modernen Verschwörungstheorie
5.1 Was ist eine Verschwörungstheorie?
5.2 Die jüdische Gruppe als Verschwörer
6. Nationales Pathos und antijüdischer Diskurs zwischen Aufklärung und Restauration
6.1 National-antisemitische Argumentation in der Debatte um Christian Konrad Wilhelm von Dohms Schrift „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden“
6.2 Johann Gottlieb Fichte: „Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution“
6.3 Fazit: Nationaler Antisemitismus vom Beginn der Emanzipationsdebatte bis um die Jahrhundertwende
6.4 Die deutsche Tischgesellschaft: Nationaler Antisemitismus unmittelbar vor dem Emanzipationsedikt
6.4.1 Nationalismus im „Stiftungslied“ der Tischgesellschaft
6.4.2 Nationaler Antisemitismus in der deutschen Tischgesellschaft
6.4.3 Achim von Arnim: „Ueber die Kennzeichen den Judenthums“
6.4.4 Abschiedsrede Ludolph von Beckedorffs
6.4.5 Christian Wilhelm Beuth: „Über die Juden als Patronatsherren“
6.4.6 Achim von Arnim: Rede zum Itzig-Skandal
6.4.7 Achim von Arnim: Der Erzählzyklus „Die Versöhnung in der Sommerfrische“
6.4.8 Achim von Arnim: Das „Gespräch über die Einbürgerung der Juden“
6.4.9 Achim von Arnim: „Die Majoratsherren“
6.4.10 Fazit: Nationaler Antisemitismus bei Achim von Arnim
6.4.11 Fazit: Nationaler Antisemitismus in der deutschen Tischgesellschaft
6.5 Jakob Friedrich Fries: „Über die Gefährdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden“
6.6 Fazit: Nationaler Antisemitismus von der Aufklärung bis ins erste Viertel des 19. Jahrhunderts
7. Der Vormärz im Spannungsfeld von Integration und Ablehnung
7.1 Der ‚Fremde‘
7.2 Das Problem der Assimilation der jüdischen Gruppe
7.2.1 Assimilation aus nationaler Sicht: religiös
7.2.2 Assimilation aus nationaler Sicht: völkisch (ethnisch)
7.2.3 Assimilation aus nationaler Sicht: territorial
7.3 Fazit Assimilation
7.4 Die Emanzipation der Juden vom Vormärz bis zur Reichsgründung
8. Literatur und nationaler Antisemitismus im Realismus – Werkanalysen
8.1 Einleitung
8.2 „Soll und Haben“: Deutsche Werte und jüdische Wertlosigkeit
8.2.1 Forschungsdivergenzen bezüglich des Antisemitismus
8.2.2 Rezeptionsgeschichte: Rassismus in „Soll und Haben“?
8.2.3 Bernhard Ehrenthal – ein Sonderfall der Assimilation?
8.2.4 Deutsches ‚Sein‘ und jüdischer ‚Schein‘
8.2.5 Die Bedrohung der deutschen Arbeit durch die Juden
8.2.6 Die Schuld an den Umständen: Jüdische und polnische Täter
8.2.7 Fazit
8.3 „Die Jüdin von Toledo“: Wenn Mord die Ordnung restauriert
8.3.1 Rezeptionsvarianten von „Die Jüdin von Toledo“
8.3.2 Der ‚ideale Monarch‘ und die Versuchung durch die Jüdin
8.3.3 Die Bedrohung durch die Grenzüberschreitung
8.3.4 Die Lösungsperspektive in „Die Jüdin von Toledo“
8.3.5 Fazit
8.4 „Das Volk und seine Treiber“: eine konservative Vergangenheitsutopie
8.4.1 Einordnung und Rezeption
8.4.2 Von Gott und der Welt ohne Juden
8.4.3 Fazit oder: Die jüdische Scheinschuld
8.5 Der Trödler und der Intellektuelle: Wesen und Wirken der Juden in Wilhelm Raabes „Der Hungerpastor“
8.5.1 Die Rezeptionsgeschichte von „Der Hungerpastor“
8.5.2 Die Theophilus-Legende als Vorlage: Moses Freudenstein alias Theophile Stein als Teufelsgestalt
8.5.3 Die Namengebung als Emanzipationshindernis
8.5.4 Das klischierte Aussehen von Samuel und Moses Freudenstein
8.5.5 Die ‚Ritualmordlegende‘ in „Der Hungerpastor“
8.5.6 Die kulturreligiöse Dimension in „Der Hungerpastor“: Die Antithese als gestalterisches Mittel – Hans Unwirrsch und Moses Freudenstein
8.5.7 Vom Trödeljuden zum intellektuellen Kapitalisten: Die Genese zum emanzipierten Juden vor dem Hintergrund der Wesensgleichheit
8.5.8 Moses Freudenstein alias Dr. Theophile Stein als Intellektueller
8.5.9 Fazit
8.6 Herrmann Goedsche alias Sir John Retcliffe: Kennzeichen und Auswirkungen der jüdischen Weltverschwörung in „Biarritz“
8.6.1 Interpretatorischer Zugang: „Auf dem Judenkirchhof in Prag“
8.6.2 Hermann Goedsche und Hermann Wagener als Vertreter sozialkonservativer Positionen
8.6.3 Die „Historisch-kritischen Romane aus der Gegenwart“ als Abenteuerromane
8.6.4 „Auf dem Judenkirchhof in Prag“ – Verschwörungstheorie und antisemitisches Weltbild
8.6.5 Aus Rache für die Unterdrückung: Hermann Goedsches Version der jüdischen Weltverschwörung
8.6.6 Nationale Kriterien auf dem Weg zur Weltherrschaft
8.6.7 Jüdischer Kapitalismus als Mittel zur Weltherrschaft
8.6.8 Politischer Einfluss auf dem Weg zur Weltherrschaft
8.6.9 Die Notwendigkeit der Presse in jüdischer Hand
8.6.10 Die Vision des jüdischen ‚Tätervolkes‘
8.6.11 Fazit
8.7 Ein Seitenblick auf „Die Judenbuche“: antijüdische Stereotype ohne nationalen Antisemitismus
9. Fazit
10. Literaturverzeichnis
Danksagung