Romanice
Berliner Schriften zur romanischen Kultur- und Literaturgeschichte
Herausgegeben von Reinhard Krüger
 

ROMANICE „auf römische Weise“, dies war das Wort, mit dem im Mittelalter erstmalig die Vorstellung ausgedrückt wurde, daß man nicht auf eigene, herkömmliche, sondern auf römische Weise etwas tat, sagte oder dachte. Mit diesem Bewußtsein wurde der Sachverhalt reflektiert, daß bereits etwas Neues entstanden war, das nicht mehr identisch war mit der Kultur der eigenen Tradition. Das Sprechen, das Denken, das Lieben, das Essen, das Bauen, das religiöse Erleben, das Verstehen und Verhandeln rechtlicher Verhältnisse, kurzum das Leben und alle Formen kommunikativen Handelns nach römischem Modell können unter dem Epitheton ROMANICE erfaßt werden. ROMANICE ist in diesem Sinn als das Schlüsselwort zu verstehen, das für die zu Bewußtsein gelangten Transformationen zahlreicher nachantiker Kulturen zu Hybriden mit der römischen Kultur steht.
“Philologie ist dieses, ein Volk oder einen Kreis von Völkern in der Allseitigkeit ihrer Existenz bis auf den Grund ihrer Seele zu erforschen“, schrieb in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Neuphilologe Carl Mager mit Blick auf die Romanische Philologie. In der Frühzeit der Romanischen Philologie galt demnach als philologische Pflicht, den gesamten Komplex des Daseins von Völkern bis auf den Grund der dieses Dasein steuernden Vorstellungswelten zu erforschen.
Kulturen, die in der Vergangenheit wie auch der Gegenwart ROMANICE lebten und leben, die auf römische Weise sprechen, denken, lieben, essen, bauen, glauben etc. sind in allen ihren Formen der Artikulation und des kommunikativen Handelns Gegenstand der Untersuchungen, denen mit der Schriftenreihe ROMANICE ein Ort der Veröffentlichung geboten wird.
Das Epitheton ROMANICE wird in diesem Sinne programmatisch gegen jede Vorstellung gerichtet, die romanische Philologie in Einzelphilologie aufzuspalten. Die Chance eines komparatistischen Kulturvergleichs, der sich per se aus der historischen Konstitution der romanischen Philologie ergibt, ist angesichts der gegenwärtig sich beschleunigenden Internationalisierung und Vernetzung der Kulturen ein kulturhistorisch erworbenes Gut, das den schlichten und vollkommen zeitfremden Impulsen zu einem nationalsprachlichen Reduktionismus entgegengesetzt wird.